„Wir fühlen uns angegriffen“ – Stellungnahme der Clubcommission

Gestern fand im SO36 „Jetzt erst recht. Warum wir uns angegriffen fühlen.“ statt. Hier haben verschiedene Akteurinnen und Akteure ihre solidarischen Perspektiven auf den Polizeieinsatz im Mensch Meier, auf Gesetzesverschärfungen und auf aktuelle Repressionen gegenüber linken und künstlerischen Strukturen aufgezeigt. 

Hier die Stellungnahme der Clubcommission:

Wir fühlen uns angegriffen… wenn Vollzugsbehörden gegen Clubs, KulturveranstalterInnen und deren Gäste unverhältnismäßig vorgehen und diese damit pauschal kriminalisieren.

Wir Clubs hatten schon immer ein ambivalentes Verhältnis zu Vollzugsbehörden. Bewegen wir uns doch mit unseren Schutzräumen immer auf einem schmalen Grad zwischen dem von der Gesellschaft gesetzten Ordnungsrahmen und individuellen Freiheitsansprüchen. 

Welches multifunktionale Clubprojekt passt schon in ein starres Baurecht? Wie fortschrittlich ist die Gesellschaft in der Forderung nach Transparenz und Aufklärung von legalen und illegalen Substanzen? Welche Freiluftveranstaltung kann wirklich keinen anderen Menschen in seiner Ruhe stören? Welches Steuerrecht hat keine Probleme mit Gästelisten oder Freigetränken? Und welcher rechte Politiker beruft sich auf die Meinungsfreiheit, wenn er gerade „weggebasst“ wird? 

All diese Fragen zeigen:

Clubs waren schon immer unbequem und haben selten ins konventionelle Raster gepasst. Vor 20 Jahren hatte sich die Clubcommission gegründet. Damals gab es kaum PolitikerInnen oder VerwaltungsbeamtInnen, die sich mal gegen Razzien ausgesprochen hätten, die regelmäßig an verschiedenen Orten stattfanden. Auf der einen Seite Robocops, die Musikveranstaltungen stürmen und kein Stein auf dem anderen lassen. Wo gerade noch friedlich getanzt wurde, sitzen Menschen weinend am Boden, oder stehen mit ausgebreiteten Beinen an der Wand. Keine Auskunft, kein Dialog, keine Nachfragen. Kaum Presse, die das Thema aufgreift und das Vorgehen der Polizei hinterfragt. 

Auf der anderen Seite gibt es im Berliner Nachtleben auch viele Notsituationen, bei denen es wichtig ist, dass die Polizei tatsächlich der selbsterklärte Freund und Helfer ist. Bei alkoholisierten Gewaltanwendern an Türen, Messerstechereien, Clans und Banden rund um das RAW Gelände. Auch bei den von uns organisierten Demos, waren unsere Ansprechpartner der Polizei durchweg sehr kooperativ und hilfsbereit. 

Erleben wir also gerade eine Renaissance in Kontrolle, Auflagen und Regulierung von Musikveranstaltungen? Dem Einsatz des Zolls im Mensch Meier folgten Besuche des Zolls in acht weiteren Clubs, allerdings mit deutlich weniger Aufsehen und Vollzug. Aber auch das Myfest wurde vom Bezirk Kreuzberg auf ein paar zentrale Bühnen eingeschränkt, Sonderveranstaltungen entlang der Spree sollen nicht mehr sonntags stattfinden dürfen und der Senat plant eine Verschärfung des Immissionsschutzgesetzes. 

Wir sind alarmiert und handeln. Anders als in den 90er Jahren haben wir nun einen direkten Zugang zu BehördenleiterInnen, SenatorInnen und Mitgliedern im Abgeordnetenhaus. Wir haben finanzielle Ressourcen um unsere Mitglieder zu beraten und zu unterstützen. Auch steht uns seit ein paar Jahren ein zentraler Ansprechpartner bei der Polizei zur Verfügung. Die Medien berichten und helfen bei der Aufklärung.

Was müssen wir also tun, um dieser Entwicklung gegenzusteuern? Was bedeutet Verhältnismäßigkeit, die wir einfordern? 

– Wir müssen gegen Kontrollen vorgehen, wenn sie im Zufallsprinzip oder ohne Verdachtsmomente durchgeführt werden.
– Wir müssen Fehlentwicklungen genau dokumentieren und Vorgesetzte regelmäßig darüber informieren.
– Wir müssen jeden einzelnen Polizeiabschnitt kennenlernen, gegenseitige Vorurteile abbauen, ansprechen und ansprechbar sein. Konflikte und Probleme offen benennen.
– Wir müssen einfordern, dass PolizeibeamtInnen gemeinsam mit dem Sicherheitspersonal von Veranstaltungen an Workshops teilnehmen, um Bewusstsein zu schaffen, die Kommunikation zu verbessern und Deeskalation zu trainieren.
– Wir müssen uns weiterhin für Gesetzesänderungen in der Drogenpolitik einsetzen, ebenso bei der Umsetzung von illegalisierten FreeOpenAirs.
– Wir müssen klarstellen, welchen soziokulturellen Beitrag wir zur Stadtgesellschaft leisten und warum ein martialischer Auftritt nicht für das Berlin steht, welches wir vertreten.

Wir werden immer angreifbar sein, für das was wir stehen. Aber wir müssen lernen, wie wir uns besser wehren können.